In den vergangenen 15 Jahren haben sich laut einer Studie der Techniker Krankenkasse die Fehlzeiten aufgrund Psychischer und Verhaltensstörungen nahezu verdoppelt und lagen 2018 durchschnittlich bei 42 Tagen pro Fall.
Häufig sind diese Fehlzeiten Resultat langfristiger Beanspruchung der Arbeitnehmer, die zu Burn-Out oder anderen Langzeiterkrankungen führen können. Was folgt ist eine langwierige, stundenweise Wiedereingliederung. Ob ein Arbeitnehmer jedoch seine vorherige Produktivität wieder erreicht oder erreichen möchte, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Eine solche längerfristige Arbeitsunfähigkeit kommt nicht von heute auf morgen, sondern ist ein schleichender Prozess, der durch permanente Belastung, bzw. Stress charakterisiert ist und sich zuvor durch kurzfristige Beanspruchungsfolgen wie körperliche Beschwerden, psychischen Reaktionen und Arbeitsunzufriedenheit ausdrückt.
Gründe für Stress gibt es viele. So geben 64% der befragten Berufstätigen „zu viel Arbeit“ als Hauptursache an, gefolgt von Termindruck (59%), Unterbrechungen und Störungen (52%), mangelnde Anerkennung (39%), Informationsüberflutung (39%), ungenaue Anweisungen (38%), schlechte Stimmung (28%) und Probleme mit dem Vorgesetzten (20%). Aber auch Unterforderung, fehlende soziale Unterstützung und zu hohe Ansprüche an sich selbst sind als Stressoren zu benennen. Verfügt eine Person irgendwann nicht mehr über ausreichend personale und situative Ressourcen, um diese verschiedenen Stressoren auf Dauer zu bewältigen, sind höhere Fehlzeiten, Unzufriedenheit, der Wunsch nach einem Arbeitgeberwechsel und Langzeiterkrankungen nur eine Frage der Zeit.
Viele der genannten Stressoren können von Führungskräften beeinflusst werden. Ihr Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter - im Guten wie im Schlechten - wurde wissenschaftlich längst bewiesen. Ein autokratisches Führungsverhalten - charakterisiert durch Ungeduld, Beleidigung und unzureichendes Konfliktmanagement - führt zu Krankheit und Fluktuation. Demgegenüber führt ein transformatives Führungsverhalten - charakterisiert durch das Einräumen von Beteiligungsmöglichkeiten, soziale Unterstützung, Anerkennung und Wertschätzung sowie einer guten Kommunikation zwischen Mitarbeiter und dem Vorgesetzten - zum Rückgang depressiver Symptome, zu geringeren Fehlzeiten, steigert die psychische Gesundheit und dient somit der Salutogenese, respektive dem Entstehen und Erhalten der Gesundheit.
Damit gesunde Mitarbeiterführung geschehen kann, ist es in erster Instanz erforderlich, dass Führungskräfte sich selbst gesund führen und sich ihrer Vorbildswirkung bewusst sind. Ferner bedarf es einer Kommunikationsfähigkeit, emotionaler Intelligenz, der Fähigkeit zur Selbststeuerung, Kompetenzen im Konflikt- und Selbstmanagement sowie einer gewissen Unsicherheitstoleranz.
Gesundheitsförderliche Verhaltensweisen wie bspw. das Anerkennen, Loben und Wertschätzen von Leistung, die soziale Unterstützung der Mitarbeiter, das Schaffen eines positiven Betriebsklimas, das Einräumen von Entscheidungs- und Handlungsspielräumen sowie das Vermitteln der Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit fördern nicht nur die Motivation und Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers, sondern wirken sich auch indirekt auf den Unternehmenserfolg aus. Klingt einfach, ist es auch. Trotzdem kann vielerorts beobachtet werden wie arbeitsbezogene Stressoren eher auf- als abgebaut werden, sei es durch Übertragung von mehr und mehr Aufgaben auf den einzelnen Arbeitnehmer oder dem Setzen von unrealistischen Zielen. Dabei sollte eigentlich klar sein, dass Usain Bolt nicht doppelt so schnell laufen wird, nur weil man ihm eine Verdopplung des Preisgelds verspricht.
Festzuhalten bleibt, dass in erster Linie die Mitarbeiter selbst die Verantwortung für ihr gesundheitliches Wohlbefinden tragen. Dennoch werden Mitarbeiter maßgeblich von ihrem Arbeitsumfeld geprägt. Dass ein Zusammenhang zwischen Gesundheit und Führung besteht, gilt als wissenschaftlich erwiesen. Die Führungskraft beeinflusst jeden Tag aufs Neue mit der Wahl ihres Führungsstils nachhaltig die Kultur im Unternehmen und die Gesundheit der Mitarbeiter. Gesunde Führung - gekennzeichnet durch Wertschätzung und soziale Unterstützung sowie eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen - hilft Stress zu reduzieren, Mitarbeiter zu motivieren und den Unternehmenserfolg nachhaltig zu fördern. Vergessen werden darf aber nicht, dass auch Führungskräfte aufgrund einer erhöhten Belastungssituation selbst zur Zielgruppe von Gesundheitsmaßnahmen gehören und benötigen ebenfalls entsprechende Unterstützung.
Hier können Unternehmen anknüpfen, indem sie Führungskräfteseminare mit dem Fokus auf Gesundheit und Führung sowie Trainings für Konflikt- und Selbstmanagement oder Gesundheitscoachings für Führungskräfte anbieten. Auch die Gestaltung von Arbeits- und Organisationsprozessen zur Förderung von Transparenz, Beteiligung und einer Kommunikationsstruktur unterstützt gesunde Mitarbeiterführung. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und des demographischen Wandels gewinnt die Gesundheit der Mitarbeiter mehr und mehr an Relevanz für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Menschliche Ressourcen sind endlich. Unternehmen, die das erkennen und ihre Unternehmenskultur entsprechend gestalten, werden im globalen Wettbewerb bestehen können und steigern sogar ganz nebenbei auch noch ihre Arbeitgeberattraktivität.